Montag, 21. Januar 2013

Eine Zugfahrt, die ist lustig, eine Zugfahrt, die ist...


Ein Gefühl von Abenteuerlust überkam ihm als er so darüber nachdachte was ihm jetzt eigentlich bevorstand. Es war der Donnerstagabend und er war auf dem Weg zum Bahnhof in Adelaide. Der Schweiß sammelte sich langsam an Bauch und Rücken, die von den beiden Rucksäcken bedeckt waren. 35 Grad waren für heute gemeldet worden. Das Gewicht der zwei Tragetaschen zog an ihm und hinderte ihn an einem normalen Schritttempo. Zuvor hatte er sich die Strecke im Internet angesehen. Gut 2 Kilometer, die man in einer halben Stunde schaffen konnte.

Um 18.40 sollte der Zug mit ihm nach Perth fahren. 41 Stunden durch halb Australien. Solch eine lange Zeit in einem Zug ist auch für ihn etwas Neues. Die Male, die er daheim in Deutschland gefahren ist, stehen in keinerlei Relation zu dem was ihm heute bevorsteht. Auf der Internetseite des Zuganbieters wurde versucht zu beschreiben, was man alles in den 41 Stunden sehen sollte: Atemberaubende Landschaftszenen wie die unendliche Weite der „Nullarbor Plain“, das idyllische „Avon Valley“ und der expandierende „Wheat belt“.

Die Wagonfarbe war Aluminiumsilber. Ein Wagon neben dem anderen. Einige besaßen das gelbe Logo „Indian Pacific – Sydney Adelaide Perth“; in der Mitte des Logos war ein Keilschwanzadler mit ausgestreckten Flügeln zu sehen. Vom Bahnsteig aus war kein Ende des 400 Meter langen Gefährts zu erkennen. Er fragte sich, wie es überhaupt möglich sei das gewaltige Gewicht von Zug, Gepäck und Personen in Bewegung zu setzen. Nachdem er von einem Angestellten begrüßt wurde, suchte er an den über den Fenstern angebrachten Nummern nach der 21. Ein Fensterplatz – gottseidank. Endlich konnte er das Gewicht von Rucksäcken und Tragetaschen niederlegen und er merkte wie leicht man sich ohne zusätzliches Gewicht bewegen kann.

„Wir durchqueren jetzt für 700 Kilometer die Nullarbor Plain, wobei wir für 478 Kilometer keine einzige Kurve fahren“, ertönte es aus den Lautsprechern des Zuges, „Damit hält die Strecke den Rekord für die längste Gerade der Welt. Die Nullarbor Plain wurde nach den, sehr treffenden lateinischen, Worten „nullus“ für „kein“ und „arbor“ für „Baum“ benannt.“ Es ist bereits der nächste Morgen. Den Umständen entsprechend hatte er recht gut geschlafen, denn die Beinfreiheit des Zuges ist um einiges großzügiger als in Bussen oder Flugzeugen. Gestern Abend fuhren sie noch durch die halbwegs vegetationsreiche Landschaft hinter Adelaide und jetzt konnte man aus dem großen Zugfenster nur noch zentimeterhohe Büsche sehen. Dazwischen sah man den roten Sand aufblitzen. Mehr gab es nicht – wirklich nichts. Er musste zugeben, dass man den Namen der Wüste gut gewählt hatte. Doch gerade dieses „Nichts“ faszinierte ihn unheimlich. Auf einem scheinbar überbevölkerten Planeten, auf dem sich Menschen gegenseitig die Köpfe einschlagen und Mutter Erde nach und nach zerstören, gab es wirklich noch Orte, die so unberührt und scheinbar so primitiv sind wie diesen hier. Es gab nichts was einen ablenken konnte, es gab nur den unbevölkerten Boden und den Himmel. Man vergisst, dass man selbst gerade in einem Zug sitzt und wird immer mehr und mehr von der Natur angezogen. Weit und breit gibt es keine Sorgen, keine Verpflichtungen, keine Zwänge, keine Nöte, dachte er bis er wieder von einer Herde von freilaufenden Kamelen, die auf einmal am Zugfenster erschienen, zurück in den Zug geholt wurde. Zeit zu duschen!

„Wir werden einen Zwischenstopp in „Cook“ einlegen. Dieses kleine Dorf wurde 1917, während dem Bau der Eisenbahnstrecke, errichtet und wurde nach dem sechsten australischen Prämie-Minister Joseph Cook benannt. Heutzutage leben bis zu 4 Menschen in dem abgelegenen Dorf. Es dient lediglich zum Auffüllen der Tankreserven der Eisenbahn und als Unterkunft für die Lokomotivführer. Sie können eine halbe Stunde auf dem Gelände verbringen. Wenn die Feuersirene ertönt, kommen Sie bitte wieder an Bord“, erklang es aus den Lautsprechern. Ein paar heruntergekommene Häuser erinnerten an die Zeit früherer Tage. Um die wenigen Häuser standen die vermutlich einzigen Bäume der Wüste. Ein Würfel zwischen den Eisenbahnschienen und dem ersten Haus weist noch einmal stolz auf die längste Gerade der Welt hin. Es war bereits später Vormittag, doch die Hitze lies noch auf sich warten, es waren angenehme 25 Grad. Das Zeitlimit von 30 Minuten erlaubte keine großen Wanderungen vom Zug entfernt, sodass es lediglich zur Besichtigung des Ortes reichte. Beeindruckend empfand er den Kontrast zwischen dem im Nichts gebauten Häusern und der eigentlich gnadenlosen Härte und Hitze der Wüste. Selbst in diesem lebensfeindlichen Gebiet hat der Mensch schon seine Fußstapfen gesetzt - eine Frage der Zeit bis es auch hier lukrativ wird zu leben, dachte er. Die Feuersirene ertönte.

Aus dem Fahrplan wusste er, dass der Zug von den 41 Stunden Fahrtzeit für 3 Stunden in Kalgoorlie hält. Kalgoorlie lag bereits im Staat Western Australia, welcher eine Gesamtbevölkerung von 2,2 Millionen besitzt von denen allein in der Staatshauptstadt Perth 1,7 Millionen leben. Western Australia ist der größte Staat Australiens und ist somit sieben Mal so groß wie Deutschland. Die Dämmerung trat bereits ein als der Zug den Bahnhof der 10.000-Einwohner-Stadt erreichte. Das Handy hatte auch nach 21 Stunden wieder Empfang – man kam also langsam wieder in Richtung Zivilisation. Da es dunkel wurde, nutze er nicht die Zeit sich die Stadt anzuschauen, vielleicht war er auch zu bequem. Es war noch angenehm warm so wie man es aus Sommernächten in Deutschland kennt. Die Stadt war um die Zeit nicht sonderlich belebt, lediglich die Reisenden aus dem Zug schienen gerade die Stadt zu füllen und ihr ein wenig Leben einzuhauchen. Natürlich haben es die Weltkonzerne wie McDonalds und Burger King, wo er die 3 Stunden verbrachte um den Akku seines Laptops wieder aufzuladen, auch in diese Stadt geschafft.

„Guten Morgen meine Damen und Herren, schon seit gestern Abend sind wir in Western Australia und sie müssen ihre Uhren um zweieinhalb Stunden zurück stellen. Es ist jetzt sieben Uhr morgens“, begrüßte die Stimme des Lautsprechers die Fahrgäste zum dritten Tag der Reise seit Adelaide. Letzte Nacht hatte er sogar besser geschlafen als die davor, vielleicht gewöhn ich mich langsam an diese langen Zugreisen, dachte er. Das Buch, welches er aus Deutschland bekommen hatte, hat er bereits ausgelesen.
Wenn man abgeschnitten von Internet und elektronischen Geräten, kommt man eben zurück auf die stromlosen Unterhaltungsmedien. In 2 Stunden würde er in Perth ankommen. Die Zugfahrt ging schneller vorbei als gedacht. Kein Vergleich zu einem langweiligen Flug, der nur 3 Stunden dauern würde und man nichts außer Wolken sehe. Das wahre Australien lässt sich wahrscheinlich nur auf dem Landweg erkunden, auch wenn es Tage beansprucht die Strecken zurückzulegen. Wenn ich wieder in Perth ankomme, bin ich wieder auf mich allein gestellt. In jeder Stadt das gleiche. Immer muss ich mich zuerst orientieren, meine Unterkunft finden, von da aus den nächsten Supermarkt, zwischen durch noch ein wenig Sightseeing. Aber genau das wollte ich doch auch vor 3 Monaten als ich meinen Rucksack gepackt habe und in den Flieger gestiegen bin. Ein wenig Routine lässt sich jedoch feststellen, auch wenn so einen Alltag nicht jeder Bürger Deutschlands hat, dachte er.


Vielen Dank für unglaubliche 3.000 Seitenaufrufe. Ich bin begeistert, dass doch so viele sich die Zeit nehmen und meine Reiseberichte lesen. Ihr seid spitze!
Bis zum nächsten Bericht,
Lars

4 Kommentare:

  1. Hallo Lars,
    alles alles Gute zum Geburtstag wünscht Dir
    Birgit, Kevin u. Jennifer
    Wünsch Dir noch ne schöne Zeit und freu mich
    schon auf Deinen nächsten Bericht:)

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  2. Und nun - einen Tag zu spät -
    auch die besten Wünsche zu deinem Geburtstag
    von
    Ulla, Hansi und Michelle
    Wir denken an dich und erfreuen uns immer an deinen
    Reiseberichten von der anderen Seite der Welt

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  3. wieso gibts keine Einträge mehr ?

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  4. Bist du wieder zu Hause oder warum schreibst du nicht mehr?

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