Ein Gefühl von Abenteuerlust überkam ihm als er so darüber
nachdachte was ihm jetzt eigentlich bevorstand. Es war der Donnerstagabend und
er war auf dem Weg zum Bahnhof in Adelaide. Der Schweiß sammelte sich langsam
an Bauch und Rücken, die von den beiden Rucksäcken bedeckt waren. 35 Grad waren
für heute gemeldet worden. Das Gewicht der zwei Tragetaschen zog an ihm und
hinderte ihn an einem normalen Schritttempo. Zuvor hatte er sich die Strecke im
Internet angesehen. Gut 2 Kilometer, die man in einer halben Stunde schaffen
konnte.
Um 18.40 sollte der Zug mit ihm nach Perth fahren. 41
Stunden durch halb Australien. Solch eine lange Zeit in einem Zug ist auch für
ihn etwas Neues. Die Male, die er daheim in Deutschland gefahren ist, stehen in
keinerlei Relation zu dem was ihm heute bevorsteht. Auf der Internetseite des
Zuganbieters wurde versucht zu beschreiben, was man alles in den 41 Stunden
sehen sollte: Atemberaubende Landschaftszenen wie die unendliche Weite der „Nullarbor
Plain“, das idyllische „Avon Valley“ und der expandierende „Wheat belt“.
Die Wagonfarbe war Aluminiumsilber. Ein Wagon neben dem
anderen. Einige besaßen das gelbe Logo „Indian Pacific – Sydney Adelaide Perth“;
in der Mitte des Logos war ein Keilschwanzadler mit ausgestreckten Flügeln zu
sehen. Vom Bahnsteig aus war kein Ende des 400 Meter langen Gefährts zu
erkennen. Er fragte sich, wie es überhaupt möglich sei das gewaltige Gewicht
von Zug, Gepäck und Personen in Bewegung zu setzen. Nachdem er von einem
Angestellten begrüßt wurde, suchte er an den über den Fenstern angebrachten
Nummern nach der 21. Ein Fensterplatz – gottseidank. Endlich konnte er das
Gewicht von Rucksäcken und Tragetaschen niederlegen und er merkte wie leicht
man sich ohne zusätzliches Gewicht bewegen kann.
„Wir durchqueren jetzt für 700 Kilometer die Nullarbor
Plain, wobei wir für 478 Kilometer keine einzige Kurve fahren“, ertönte es aus
den Lautsprechern des Zuges, „Damit hält die Strecke den Rekord für die längste
Gerade der Welt. Die Nullarbor Plain wurde nach den, sehr treffenden lateinischen,
Worten „nullus“ für „kein“ und „arbor“ für „Baum“ benannt.“ Es ist bereits der
nächste Morgen. Den Umständen entsprechend hatte er recht gut geschlafen, denn
die Beinfreiheit des Zuges ist um einiges großzügiger als in Bussen oder
Flugzeugen. Gestern Abend fuhren sie noch durch die halbwegs vegetationsreiche Landschaft
hinter Adelaide und jetzt konnte man aus dem großen Zugfenster nur noch zentimeterhohe
Büsche sehen. Dazwischen sah man den roten Sand aufblitzen. Mehr gab es nicht –
wirklich nichts. Er musste zugeben, dass man den Namen der Wüste gut gewählt
hatte. Doch gerade dieses „Nichts“ faszinierte ihn unheimlich. Auf einem
scheinbar überbevölkerten Planeten, auf dem sich Menschen gegenseitig die Köpfe
einschlagen und Mutter Erde nach und nach zerstören, gab es wirklich noch Orte,
die so unberührt und scheinbar so primitiv sind wie diesen hier. Es gab nichts
was einen ablenken konnte, es gab nur den unbevölkerten Boden und den Himmel.
Man vergisst, dass man selbst gerade in einem Zug sitzt und wird immer mehr und
mehr von der Natur angezogen. Weit und breit gibt es keine Sorgen, keine
Verpflichtungen, keine Zwänge, keine Nöte, dachte er bis er wieder von einer
Herde von freilaufenden Kamelen, die auf einmal am Zugfenster erschienen, zurück
in den Zug geholt wurde. Zeit zu duschen!
„Wir werden einen Zwischenstopp in „Cook“ einlegen. Dieses
kleine Dorf wurde 1917, während dem Bau der Eisenbahnstrecke, errichtet und
wurde nach dem sechsten australischen Prämie-Minister Joseph Cook benannt.
Heutzutage leben bis zu 4 Menschen in dem abgelegenen Dorf. Es dient lediglich
zum Auffüllen der Tankreserven der Eisenbahn und als Unterkunft für die
Lokomotivführer. Sie können eine halbe Stunde auf dem Gelände verbringen. Wenn
die Feuersirene ertönt, kommen Sie bitte wieder an Bord“, erklang es aus den
Lautsprechern. Ein paar heruntergekommene Häuser erinnerten an die Zeit
früherer Tage. Um die wenigen Häuser standen die vermutlich einzigen Bäume der Wüste.
Ein Würfel zwischen den Eisenbahnschienen und dem ersten Haus weist noch einmal
stolz auf die längste Gerade der Welt hin. Es war bereits später Vormittag, doch
die Hitze lies noch auf sich warten, es waren angenehme 25 Grad. Das Zeitlimit
von 30 Minuten erlaubte keine großen Wanderungen vom Zug entfernt, sodass es
lediglich zur Besichtigung des Ortes reichte. Beeindruckend empfand er den
Kontrast zwischen dem im Nichts gebauten Häusern und der eigentlich gnadenlosen
Härte und Hitze der Wüste. Selbst in diesem lebensfeindlichen Gebiet hat der Mensch
schon seine Fußstapfen gesetzt - eine Frage der Zeit bis es auch hier lukrativ
wird zu leben, dachte er. Die Feuersirene ertönte.
Aus dem Fahrplan wusste er, dass der Zug von den 41 Stunden Fahrtzeit
für 3 Stunden in Kalgoorlie hält. Kalgoorlie lag bereits im Staat Western
Australia, welcher eine Gesamtbevölkerung von 2,2 Millionen besitzt von denen
allein in der Staatshauptstadt Perth 1,7 Millionen leben. Western Australia ist
der größte Staat Australiens und ist somit sieben Mal so groß wie Deutschland. Die
Dämmerung trat bereits ein als der Zug den Bahnhof der 10.000-Einwohner-Stadt
erreichte. Das Handy hatte auch nach 21 Stunden wieder Empfang – man kam also
langsam wieder in Richtung Zivilisation. Da es dunkel wurde, nutze er nicht die
Zeit sich die Stadt anzuschauen, vielleicht war er auch zu bequem. Es war noch
angenehm warm so wie man es aus Sommernächten in Deutschland kennt. Die Stadt
war um die Zeit nicht sonderlich belebt, lediglich die Reisenden aus dem Zug
schienen gerade die Stadt zu füllen und ihr ein wenig Leben einzuhauchen. Natürlich
haben es die Weltkonzerne wie McDonalds und Burger King, wo er die 3 Stunden
verbrachte um den Akku seines Laptops wieder aufzuladen, auch in diese Stadt
geschafft.
„Guten Morgen meine Damen und Herren, schon seit gestern
Abend sind wir in Western Australia und sie müssen ihre Uhren um zweieinhalb
Stunden zurück stellen. Es ist jetzt sieben Uhr morgens“, begrüßte die Stimme
des Lautsprechers die Fahrgäste zum dritten Tag der Reise seit Adelaide. Letzte
Nacht hatte er sogar besser geschlafen als die davor, vielleicht gewöhn ich
mich langsam an diese langen Zugreisen, dachte er. Das Buch, welches er aus
Deutschland bekommen hatte, hat er bereits ausgelesen.
Wenn man abgeschnitten von Internet und elektronischen
Geräten, kommt man eben zurück auf die stromlosen Unterhaltungsmedien. In 2
Stunden würde er in Perth ankommen. Die Zugfahrt ging schneller vorbei als
gedacht. Kein Vergleich zu einem langweiligen Flug, der nur 3 Stunden dauern
würde und man nichts außer Wolken sehe. Das wahre Australien lässt sich
wahrscheinlich nur auf dem Landweg erkunden, auch wenn es Tage beansprucht die
Strecken zurückzulegen. Wenn ich wieder in Perth ankomme, bin ich wieder auf
mich allein gestellt. In jeder Stadt das gleiche. Immer muss ich mich zuerst
orientieren, meine Unterkunft finden, von da aus den nächsten Supermarkt,
zwischen durch noch ein wenig Sightseeing. Aber genau das wollte ich doch auch
vor 3 Monaten als ich meinen Rucksack gepackt habe und in den Flieger gestiegen
bin. Ein wenig Routine lässt sich jedoch feststellen, auch wenn so einen Alltag
nicht jeder Bürger Deutschlands hat, dachte er.
Vielen Dank für unglaubliche 3.000
Seitenaufrufe. Ich bin begeistert, dass doch so viele sich die Zeit nehmen und
meine Reiseberichte lesen. Ihr seid spitze!
Bis zum nächsten Bericht,
Lars